Wer sich hier auskennt, wird jetzt stutzen. Aber ich wäre nicht ich, wenn ich nicht gegen den Strom schwimmen – oder in diesem Fall – entgegengesetzt zur Laufrichtung wandern würde. Junior weiß ungefähr was ihn erwartet, unsere alte Hundedame Lilly nicht.
Es hat schon etwas Besonderes „ab Haustür“ zu pilgern. Und obwohl wir den Waldweg auf unserer täglichen Hunderunde mitunter sogar mehrfach laufen, ist es mit Rucksack und Pilgergedanken gleich ein ganz anderes Gehen und Gefühl.
Vorbei an Bärenhöhle und Hockstein, den lokalen Besonderheiten, geht es anschließend den steilen Berg hinab und hinter den Wochenendhäuschen den Wurzelberg hinauf. Drüben nach Diethensdorf runter, auf der Straße über die Chemnitz und im Eck der Kurve Richtung Mohsdorf hinauf. Bis zur Rast auf der Bank ist es noch aus früheren Zeiten bekanntes Terrain. Von da ab stolpern wir aber erst mal quer durch den Wald. Der Anschlussweg hat sich vorübergehend in Luft aufgelöst. Das alte Sprichwort …
Der Weg heißt Weg, weil er weg ist.
… bestätigt sich wieder. Es beschert uns ein paar Meter mehr Straßentrappelei als eigentlich nötig, da wir zu früh auf der Talstraße ankommen. Dort ist der Anschluss schnell gut gefunden und bald sind wir erneut hoch über der Chemnitz. Sogar sehr hübsch mit einem Rastplatz nebst Wetterschutzhäuschen.
Es wird spannend
Kurz darauf wartet der Wald mit Windbruch über dem Weg auf und bietet uns einiges an Abwechslung beim Durchkriechen und Überklettern der der Stämme. Junior fetzt’s, Lilly nicht so. Helfen lassen will sie sich aber auch nicht. Derart beschäftigt und abgelenkt, verpassen wir den Wegweiser zum Studententeich – und müssen improvisieren.
Zum Glück ist es wiederum aus jugendlichen Reitzeiten bekanntes Terrain und wir finden nicht nur eine Leitlinie an der Bahnstrecke, sondern in einem Spaziergängerpaar auch ein bekanntes Gesicht. Wir kommen kurz ins Gespräch und als er Lillys fortgeschrittenes Alter erfährt, bekommt sie gleich fachmännisch den Puls gefühlt. So ganz mag der Tierarzt a.D. seine Zweifel ob der Leistungsfähigkeit des betagten Hundes nicht verhehlen – und wir nehmen es hier vorweg: Sie hat die gesamte (Tor)Tour (und noch weitere knapp zwei Jahre bis zum stolzen Alter von 15 Jahren und 8 Monaten) zwar immer rechtschaffen müde aber bei bester Gesundheit überstanden.
Noch einmal heißt es „Improvisieren“: entlang des Feldraines hinüber zur Kompostieranlage, am Waldrand und hinter dem Grundstück der Eltern einer Freundin aus Schulzeiten bis zur Straße und auf dem Radweg dieser folgend bis zur ehemaligen Schweinemastanlage. Dort treffen wir auf den Weg, auf welchem wir eigentlich hier hätten ankommen sollen.
Das Tagesziel ist nah
Immerhin der letzte anderthalb Kilometer wird wegetechnisch wieder korrekt gelaufen, romantisch dem Sonnenuntergang entgegen. Der Hund ist geschafft, Junior mag auch nicht mehr. So trotteln wir lang auseinandergezogen ins kleine Dorf und fallen bei meiner Freundin ein.
Fürs Kind gibt’s erst einen kuschelweichen kleinen Gremlin zum Streicheln, dann WLAN und Mama’s Handy. Für den Hund endlich Ruhe und für mich ein Glas Sekt. Welches Lilly vor lauter Begeisterung erst mal unter den Tisch fegt, weil sie schwanzwedelnd neben dem niedrigen Tisch auf Leckerli hofft.
Fazit:
- „Falsch herum“ zu laufen erfordert einiges an Orientierung und Frustrationstoleranz.
- Alle Beteiligten sind trotz kleiner Handicaps der Unternehmung gewachsen.
- Es ist eine schöne Art und Weise, die neue alte Heimat aus ganz besonderer Perspektive neu zu entdecken.
- Und „irgendwann“ machen wir das noch mal „richtig rum“ … der Perspektive wegen.
